Mittwoch, 8. Juli 2009
Das Ende der VYBErwirtschaft
Ihr wolltet noch mehr Amiland-Geschichten? Könnt ihr haben. Gehen wir wieder zurück ins Jahr 1993, in ein kleines 16.000-Einwohner-Kaff bei St. Louis. Ich hatte gerade die aktuelle Ausgabe des damals brandneuen Vibe-Magazins aus dem Briefkasten geholt und blätterte durch ein mehrseitiges Feature über Spike Lee. Da kam die Freundin meines Gastbruders an und fragte mich etwas stutzig: "Jenz, why are you always reading those nigger-magazines?". Die liebe Gastmutter intervenierte prompt und ersparte mir so eine Antwort auf diese Frage. "They are called afroamericans. [...] Do y'all have afroamericans in Germany, Jenz?", wollte sie dann von mir wissen. Da war er wieder, der Kulturschock.
Was wir zu dieser Zeit auf jeden Fall nicht in Deutschland hatten, war das Vibe-Magazin. Hier bekamen wir in den Internationale Presseläden an den großen Bahnhöfen oder im Fnac (damals ein französisches Kulturkaufhaus in Westberlin) eher die Source oder die XXL in die Hände. Die Vibe war mit einer achthunderttausernder Auflage auch immer viel mainstreamiger als die Source und die ganzen anderen Rap-Fan-Zeitschriften.
Jetzt, nach 16 Jahren, geht in den Redaktionsräumen der Vibe auch das Licht aus. Das Heft, das immer den Anspruch hatte, eine schwarze Rolling Stone zu sein, verabschiedet sich gerade mit einer RIP-Ausgabe zu Michael Jackson. Den einbrechenden Anzeigenumsätzen konnte man auch nicht mit Kündigungswellen und Arbeitszeitverkürzungen begegnen. Bei den Magazin-Machern ist die Luft raus. Nur einer hat noch große Hoffnungen und Pläne, Heft-Begründer Quincy Jones. Er glaubt an ein Weiterbestehen im Online-Format.
Naja, ich habe es damals auf jeden Fall geschafft, die beiden blöden Fragen zu umschiffen und habe meine Negerzeitungen dann nur noch im stillen Kämmerlein gelesen. Ein paar Monate später habe ich mit meinem Gastbruder mal den Film "House Party" geguckt. Da kam ein Weißer drin vor, der an der Uni Afroamerikanische Studien studierte, blonde Dreads hatte und immer Rap hörte. "This is you, Jenz", sagte er lachend zu mir. Mehr weiß ich heute nicht zu erzählen. Aber: Can you feel the vibe?
Video: Quincy Jones und das VIBE Magazine (wmv)
Interview mit Herausgeber Len Burnett
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9 Kommentare:
Ich fühl den Vibe nicht. Man solte solche Fragen lieber beantworten, anstatt sie zu umschiffen.
Das sehe ich heute auch so.
Ich habe damals eher einen schriftlichen, öffentlichen Weg gewählt und habe für die Lokalzeitung "The Standard Democrat" einen Artikel geschrieben, in dem ich vom Ausländerhass in Deutschland berichtet und den mit meinen Beobachtungen in den USA verglichen habe. "Great article, Mister Steiner", meinte der Chief Editor zu mir und verklickerte mir im selben Atemzug, dass sie den Text etwas kürzen mussten, aus technischen Gründen. Verschwunden waren dann alle meine Begegnungen mit Rassismus in der Highschool und im Everyday life der Mittelklassenhaushalte, die ich bis dahin kennen lernen durfte.
Die freiwillige Trennung von Schwarzen und Weißen in der Schulcafeteria, die Onkels mit Südstaaten-T-Shirt, die mich fragten, ob ich schwarze Nobelpreisträger kenne, ob ich eine Erklärung dafür hätte, warum Afrika die meisten Aids-Toten hat, warum sich die Schwarzen in den USA gegenseitig erschießen, das ausschließlich schwarze Flughafenpersonal, das inzwischen überstrichene Schild am Golf Club "Whites only", die Mitschülerin, die im Unterricht einen Vortrag über die Wohlfahrtseinrichtungen und die Jugendarbeit des KKK hielt, die ganzen Sachen tauchten im Text nicht mehr auf.
schöne geschichte..:)
aber der letzte absatz hier im comment is echt heftig, in diesem maße bekommt man das ja von deutschland aus nicht unbedingt zu spüren und der vortrag über den kkk is das i-tüpfelchen...zu krass!!
man man man achim...wat haben die amis nur fürn schaden!!
Und in meiner Schule saßen die Jungs mit KKK Shirts im Unterricht und der Geschichtslehrer wusste nicht, was der KKK ist und sah auch nach einem klärenden Gespräch keinen Grund jemanden mit so einem Shirt nach Hause zu schicken. "An unserer Schule gibt es ja keine Schwarzen." Nicht viel besser. Aber wir können uns ja zum Glück dann immer noch einreden, dass die Amis schlimmer sind. Hurra.
Wir haben dafür Thor-Steinar-Läden, die Antiantifa, Neo-Folk-Sänger, national befreite Zonen, die Junge Freiheit, die Deutsche Evangelische Allianz, die HDJ und die JN, Schwarze-Sonnen-Anbeter, NewWave-Fans und Esos die sich für Linke halten. Auch nicht viel besser.
was ist an new wave den bloss falsch...
grundsätzlich erstmal nüscht, aber da gibt es mittlerweile auch sparten, die auch ein publikum mit eher rechtskonservativem bis rechtsexremem Hintegrund bedienen und das auch sehr bewusst machen. Aber durch deutschrap sind rechtstypische themen ja auch schon im mainstream angekommen.
audio 88 hat recht! Lion LW
Manche vertreten ja die These man würde dem Faschismus seine Kraft nehmen wenn man ihn nur kommerzialisiert...
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