Wer Sichtbeton hört, kann auch ein bisschen musikalische Identitäts- und Spurensuche der Sichtbetonler nachvollziehen.
Das Zitat am Anfang von "Fieber" ist eine nette Hommage an die inzwischen fast komplett in Vergessenheit geratene Horst-Krüger-Band. Durch diesen Kunstgriff stubst V.Raeter die Sichtbeton-Hörerschaft mit der Nase auf ein musikalisches Genre, das seit drei Jahrzehnten in den Amiga-Plattenkisten ruht. Das finde ich sympathisch und schätzenswert, denn damit betribt er ganz nebenbei etwas Musikethnologie. Wer bei der gleich darauf einsetztenden E-Orgel an Jane Birkin und Serge Gainsbourg "Je t'aime" denkt, liegt falsch. Wer dem Ursprung des Samples auf den Grund gehen will, sollte die Verfilmungen eines gewissen Wasserplatscher-Märchens aus den frühen Achtzigern studieren.
Luntes fieser Text steht im krassen Gegensatz zur Musik. Ich dachte zuerst an einen kleinen Giftzwerg, der sich für seinen Gram an seinen Mitmenschen rächen will. Seine "Ich stehe auf, gehe raus und mache alles kaputt"-Story weckt bei mir Erinnerungen an ein Lied einer Prenzlauer Berger Punk-Schrammelband, deren Name ich vergessen habe. Der Text ging so: "Aufstehen, pissen gehen, morgens dieselben Leute sehen, es ist nichts zu retten in diesem Scheiß Land ..." und so weiter.
Mit einem anderen Instrumental würden diese Zeilen locker als Battle-Text durchgehen.
Wie kann man nur so fiese und hinterhältige Gedanken haben? "Fieber" wirkt auf mich wie ein modernes Rumpelstilzchen-Lied.
Freitag, 15. Januar 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen