Ich war mal Austauschschüler in Amiland. Das war so 93/94, als Kassetten noch Standard waren, als in Europa und den USA Schallplatten schon fast gänzlich aus den großen Musikgeschäften verschwunden waren. In Amiland ging ich an eine kleine Highschool mit etwas über 1000 Schülern. In den Pausen war die längst abgeschaffte Rassentrennung noch omnipräsent, auch ohne Gesetze, Regeln und Hinweisschilder. Rechts die Schwarzen, die sich selbst mit Nigger ansprachen, links die Bleichgesichter mit ihren stilisierten Südstaatenflaggen auf den T-Shirts und Basecaps. Irgendwo dazwischen: ich!
Einmal stand ich mit fünf bösen "Afroamericans" an einer Papiertonne in der Cafeteria und habe mit ihnen gerappt, sie auf Englisch, iche auf Deutsch, so gut ich konnte. Einer trommelte den Beat auf der Tonne, ein anderer machte Beatbox, eher schlecht als recht. Da kam der weiße Schuldirektor mit strengem Blick (und NRA-Mitgliedschaft), scheuchte die Jungs weg, fasste mir fest auf die Schulter und sagte mit leiser, aber fester und tiefer Stimme : "Mister Steiner, we don't do that overhere! [Kunstpause] And I will only tell you once!". Er verschwand wieder im Direktorenzimmer und die ganze Schule schien mich schweigend anzustarren. Meine Cheerleader-Freundinnen kamen gleich besorgt angehoppst und überschütteten mich mit ihren "Are you okay?"-Fragen und sanften Umarmungen. "Yes, just a bit confused". Kulturschock und so.
Meine Rap-Einlagen konnte ich von da an nur noch in den Sportunerricht und mein Zimmerchen verlagern. Naja, meine kleinen Gastschwestern ließen sich anfangs auch noch davon begeistern.
Nachts hörte ich heimlich Radio. Wenn Country 105 aus Memohis nicht gerade wieder Frequenz von Magic 105 St- Louis überlagerte, konnte ich die Hip Hop Sendungen hören. War das spannend!
Ich hatte einen Ohrwurm von "Here come da lordz" von Lords of the Underground.
Lords of the Underground - "Here come da lordz"
Ich war an meiner High School wahrscheinlich auch der einzige Abonnent des VIBE-Magazins.
Darin fand ich einmal eine Anzeige für die Rock Video monthly Rap-Edition. Ich bestellte sofort und bezahlte mit dem Trinkgeld meines Kellnerjobs in einem italienischen Chinarestaurant am Rande der Stadt. Nun bekam ich jeden Monat die neusten Rap-Videos direkt nach Hause geschickt und war glücklich. Einen bleibenden Eindruck hinterließ bei mir bis zum heutigen Tage das Video "Tears" von "Da King and I". Das tragende Sample kennen viele wahrscheinlich eher von Killah Priest, aber das war ein paar Jahre später (und auch cool).
Da King and I - Tears
Genauso beeindruckt war ich vom Video Snippet zu KRS Ones damals neuem Album "Return of da Boom Bap". Sowas hatte ich bis dahin noch nicht gesehen. Die Schlussszene mit dieser wahnsinnigen Crowd war für mich ab da an der größte Antrieb weiter zu rappen. "Das kann ich auch", dachte ich mir. "Irgendwann einmal." Irgendwann ist jetzt und das ist auch gut so.
KRS One - Return of da Boom Bap
Die Videos waren alle im NTSC-Standard und in Deutschland hatte ich Schwierigkeiten sie abzuspielen. Bei irgendeiner meiner Geburtstagsgrillnachmittage im Mauerpark habe ich sie dann alle an meine Gäste verschenkt. Ich glaube, Bag und Dehf haben sie sich mitgenommen. Bei denen sind sie bestens aufgehoben. Da bin ich mir sicher.
Montag, 15. Juni 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
3 Kommentare:
Schöne Geschichte, Steiner :)
ich war auch 94 in amerika und ich weiss, wovon du redest. leider nur 3monate, mehr hat meine schule nicht gemacht. wo warstn. midwest?
genau in der Mitte zwischen Memphis und St. Louis.
Kommentar veröffentlichen