Hinter der dritten Tür des GTDK-Weihnachtskalenders von Jenz Steiner verbirgt sich seine sehr persönliche und berührende Version der Prenzlauer Berger Graffiti-Geschichte.
Das SEZ an der Leninallee aka Freizi: Sitz der von Koschi und Boschi gedemütigten Center Gang, Foto: BA, cc
Im Frühjahr 1990 sah ich die ersten Tags in Prenzlauer Berg. Zwischen S-Bahnhof Ernst-Thälmann-Park und Dimitroffstraße waren das Corinth und Sign, bei uns im Bötzowviertel Koschi und Boschi. Koschi und Boschi gingen mit mir zur Schule. Koschi hieß in echt Sebastian und ging in die neunte Klasse. Boschi - sein ehemaliger Klassenkamerad, hieß Mike, war gerade sitzen geblieben und gehörte nun in unsere 8. Klasse. Mit HipHop und Graffiti hatten beide nichts am Hut. Koschi behauptete ab November 1989 felsenfest, er sei schwul. Boschi hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, verprügelte regelmäßig unseren Klassentyrannen Torsten und wurde schnell BFC-Hooligan - so richtig mit glänzender Bomberjacke, New Balance Schuhen und vielen kräftigen, aber charmant-geselligen Kumpels. Von Lehrerinnen ließen sie sich nichts mehr sagen, blieben aber höflich dabei. "Entschuldigung, aber was wollen Sie Stasi-Fotze mir noch erzählen?" oder "Ich möchte Ihnen ja nur ungern zu nahe treten, aber finden Sie nicht, dass ein Wendehals wie Sie jetzt einfach mal besser die Fresse halten sollte?"
Prenzlauer Bergs Writer Sign (AGS) und Bome (ESC) malten 1990 den ersten Wholecar Ostberlins im Lay-up an der Greifswalder Straße. Das erste große Wand-Piece malten Sign und Corinth am S-Bahnhof Ernst-Thälmann-Park.
Vor uns Schülern rühmten sich beide damit, der sogenannten Center-Gang, einer verstrahlten Jugendclique, die im „Freizi“, also im Sport-und-Erholungszentrum SEZ in der Leninallee abhing und Leute anmachte oder abzog, regelmäßig die Fresse zu polieren und Neo-Nazis zu aufzuklatschen, die abends im Friedrichshain Jagd auf Schwule machten. Koschi und Boschi waren die wahren Robin Hoods unserer Hood. Nach der Schulreform verlor ich die beiden kräftigen Boys aus den Augen. Das letzte was ich gehört habe, war, dass der vermeintlich homosexuelle Koschi recht jung eine „ziemlich heiße Blondine“ geschwängert haben soll. Dem armen Boschi ist wohl die letzte Freundin weg gerannt, nachdem er ihr zu Weihnachten beim Sex auf den Bauch gekackt haben soll.
Donnerstag, 3. Dezember 2009
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5 Kommentare:
Grandios!
wer kennt sie nicht ... glaub koschi ist jetzt kraftfahrer ... ich lach mich tot
unterstrichen...
jenz du bringst uns in dieser langen nacht echt noch zum schmunzeln! danke dafür...
Seien wir mal realistisch. Die ersten wichtigen Namen hier waren natürlich Sign/ Look und Corint. Look hatte auch Kontakt zu Mis One, einem Polen aus Wedding, Tiergarten, der später als DJ Tommeck bekannt wurde. Im Nikolaiviertel konnte man bis Ende der Neunziger in einem Hauseingang noch einen Sign, Mis One Tag mit Herzchen sehen.1991-1992 rückten Karoy, Optik/Drama (HBS)und Bosh nach. Die waren die ersten Character-Bomber in der Gegend. Die Motive waren meist comicartige cans und Monster. Einzelgänger wie Pac malten fast ausschließlich Züge. 1993 wurde das Jahr für Sober, Pamir und Zoe (THC). Zu dieser Zeit gab es bereits unzählig viele Schulhoftagger. Look, Code und Disne waren die härtesten Streetbomber und zumindest im Osten all city. Die Line (damals noch keine wiederhergestellte Ringbahn) war bunt. Es gab bereits viele enge Kontakte zu Westberliner Malern wie Kim. Vernetzenden Charakter hatten besonders Leute wie Adrian Nabi (A156) und Ben. Der Rest ist bekannt.
In Zeiten wo Traditionen verloren gehen, erleben wir die Renaissance. Danke für die Geschichten zur Weihnachtszeit.
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