Dienstag, 14. Dezember 2010

Andys Weihnachtstagebuch: Seite 14 - Pack schlägt sich

Dienstag, 14. Dezember 1999

In meinem Weihnachtskalender war heute ein Bär drin. Der russische Braunbär - das russische Militär ist heute in Grosny einmarschiert. Die großen Kriege sind gleich um die Ecke, zwei drei Länder weiter. Die kleinen Kriege kochen schon hinter der nächsten Wohnungstür. Der kalte Krieg geht weiter – in Lauras Familie. Ihre Mutter hat die Mauer gebaut. Ihr Vater spielt Westen und Laura die Diplomatin. Doch in diesem Krieg wird es keinen Mauerfall mehr geben. Nie mehr. Der Traum ist aus.



Ich habe mich nachmittags mit ihr getroffen. Wir wollten zu Tim, doch der war nicht da, obwohl er nur Frühdienst hatte und wir verabredet waren. Wir saßen vor seiner Bude auf der Treppe und haben lange über ihre Familie und die ganze ausweglose Situation gequatscht und uns die Muster der abblätternden Deckenfarbe im Hausflur angeguckt. Richtig tröstende Worte konnte ich nicht finden.

In der Nachbarwohnung brach plötzlich ein heftiger Streit aus. Die Satzfetzen wiederholten sich und wurden immer lauter, fast so, als wäre gar keine Tür zwischen der Wohnung und uns auf der Treppe. „Ick hab Dir tausend mal jesacht …“, „Du? Du hast mir jar nüscht zu sagen, Du … Du!“ Es war einfach nicht auszumachen, warum sich das Pärchen jetzt gerade fetzte.

Wer hinter diesen Wänden die Hosen anhatte, wurde schnell klar. „Du alter Hühnerficker, mit de Kehrschaufel kannstet kriegen.“, „Du altet Biest, hörste jetz uff mir zu dröschn?“ Da legte sie aber erst richtig los und und wir bekamen Magenkrämpfe vom Lachen. Knallende Zimmertüren, poltern, scheppern, brüllen, „So, da hastet!“, plötzlich Ruhe. Totenstille. Nichts. Kein Mux. Sechs oder sieben Minuten, ach, länger. Unsere Hintern waren kalt.

Draußen wurde es schnell dunkel, gegenüber sah man schon die chinesischen Plastesterne blinkern. „Sollen wir mal klingeln?“, fragte Laura. „Ach, Pack schlägt sich, Pack...“, „Nach vertragen klang das aber nicht gerade.“, „Lass abhauen, wir machen Tim 'nen Zettel an die Tür, hast'n Stift?“. Sie zog eine Kostenlos-Postkarte, einen Luftpost-Umschlag und einen Füller aus ihrer NVA-Gasmaskentasche. Ich fand cool, dass sie noch mit Füller schreibt. Was sie schrieb, weiß ich nicht. Wir latschten zu ihr ins Göhrener Ei und guckten uns den ganzen Abend Kurzfilme an. Mehr war nicht.

Was bisher geschah:
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