Donnerstag, 16. Dezember 2010

Andys Weihnachtstagebuch: Seite 16 - Perlen im Haar

Donnerstag, 16. Dezember 1999

Es hat den ganzen Tag geregnet. Keine Spur von Tim. Ich habe ihm nochmal einen Zettel an seine Wohnungstür geheftet, hab seine Ex-Freundin in Mahlsdorf und die in Spandau angerufen. Eine war recht teilnahmslos, die andere besorgt, aber distanziert. Das geht ganz schön an die Substanz. Ich hatte den ganzen Tag so einen Druck auf der Brust, so eine Wut. Oder war es Angst? Ich weiß es nicht.


Auch in Lauras Haar hingen nun Perlen, keine echten, nur Andys Tränen. Welches Lied wäre in diesem schweren Augenblick passender gewesen als Omegas "Pearls in her Hair"?

Vorhin stand Laura vor meiner Tür. „Dieser Vollidiot!“ waren ihre Begrüßungsworte. „Er hat mich gerade angerufen! „Der ist in Brüssel, der Arsch!“ Was macht denn Tim in Brüssel? Sie meinte, er hätte einfach alles stehen und liegen gelassen und sei mit einem Last Minute Flug nach Brüssel geflogen. Na toll. Ich nahm Laura in den Arm. Sie ist einen Kopf kleiner als ich. Nun kullerten auch noch meine Tränchen wie Perlen über ihr ohnehin schon nasses Haar.

Ich wusste nicht, ob ich jetzt erleichtert sein sollte. Es dauerte eine Weile, ehe sie sich wieder beruhigt hatte. Ich kramte meine Schallplatten durch und legte eine Platte aus Ungarn auf. „Das ist ja geil. Kommt mir bekannt vor. Ist das nicht Fränkie Schöbel?“ „Nee, das ungarische Original – Omega – Pearls in her hair“. Wieder zog sie eine Schnute und begann zu weinen, als der Refrain losging.

Irgendwann konnte sie wieder normal reden und erzählte mir, was er ihr am Telefon an den Kopf gehauen hat. Ihn würde hier alles ankotzen. Wir, dann die ganzen halbtoten Zombies beim Zivildienst, die er in der Charité durch die Gegend schieben, dass die ganze Arbeit an der Mucke und der Show an ihm hängen bleiben würde und überhaupt alles.

Einen Pennplatz hätte er noch nicht, aber müde sei er auch nicht.
Sie hätte ihm gesagt, er solle seinen Arsch so schnell wie möglich wieder her bewegen. „Mal sehen. Ich weiß nicht, ob die Kohle reicht.“, soll er gesagt haben. Laura hat dann wohl wütend den Hörer aufgeknallt, sich kurz besonnen und ist dann zur Sparkasse gedackelt, um ihm ihre letzten 200 Mark zu überweisen.

Was tun? Soll ich den Auftritt absagen? Ich weiß es nicht. Laura pennt gerade in meinem Bett. Ich leg mich gleich auf die Couch, wenn ich hiermit fertig bin. Vielleicht kommt er ja wieder zur Besinnung und steht morgen wieder da. Bei seiner Zivi-Stelle werden sie ihm garantiert einen Einlauf machen. Das bleibt definitiv nicht ohne Konsequenzen. Ich gehe jetzt auch pennen.

Was bisher geschah:
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